
Weiße, endlose Sandstrände und eine unbändige wilde Tierwelt – das sind nur zwei Faktoren, die Touristinnen und Touristen in Subsahara-Afrika schätzen. Doch noch ein weiterer Tourismus-Sektor boomt: der Sextourismus. Weiße Menschen aus Europa, Nordamerika und Australien, meist in hohem Alter, reisen nach Afrika, um dort Sex mit jungen Einheimischen zu haben. Meist zahlen sie dafür, entweder in Geld oder in Sachleistungen. Für manche geht es um Macht, für manche leicht zugänglichen und günstigen Sex und für andere um die große Liebe. Doch Sextourismus ist ein großes Problem. Menschen sind aus Armut dazu gezwungen, ihren Körper zu verkaufen. Auch Kindesmissbrauch ist präsent.
Was ist Sextourismus?

Den Begriff Sextourismus hat wahrscheinlich jede und jeder schon einmal gehört. Es handelt sich dabei um touristische Reisen, die man vor allem oder auch unternimmt, um mit Einheimischen sexuellen Kontakt zu haben.
Manchmal wird Sextourismus auch als Prostitutionstourismus bezeichnet, weil es in vielen Fällen Sex gegen Geld oder Sex gegen andere Leistungen (Einladungen ins Hotel, Hoffnung auf ein Visum für Europa etc.) gibt. Sprich: Der Tourist oder die Touristin bezahlt die einheimische Person, mit der er oder sie Sex hat, entweder in Geld oder anderweitig.
Meistens reisen beim Sextourismus Menschen aus Europa, den USA oder Australien und Neuseeland in den Globalen Süden. Man kennt die Bilder und Geschichten von weißen Männern, die beispielsweise nach Thailand fliegen, um sich dort eine thailändische Frau zu suchen – die einen nur für schnellen Sex und eine kurze Affäre, die anderen suchen auf diese Art tatsächlich eine Frau fürs Leben.
Beim Sextourismus spielt es keine Rolle, wie viele Intimpartnerinnen oder Intimpartner ein oder eine Reisende hat. Es kann für die gesamte Reise nur ein Sexualpartner / eine Sexualpartnerin sein, es kann aber auch mehrere geben.
Nicht selten haben die Einheimischen, die beim Sextourismus aktiv mitmachen, eine Frau oder einen Mann zu Hause.
Sextourismus: Wer bandelt hier mit wem an?

In vielen Fällen ist Sextourismus mehr oder minder klassische Prostitution: Männer und Frauen kaufen sich Sex und bezahlen die Person, mit der sie Sex haben, dafür.
Die Prostitutierten haben sich auf den internationalen Markt fokussiert und verdienen damit ihr Geld. Der Sex ist deutlich günstiger zu haben als in Deutschland und Europa, zudem sind in vielen Ländern die Gesetze lascher, sodass Freier keine Konsequenzen fürchten müssen.
Beim Sextourismus sind die Rollen klar verteilt. Auf der einen Seite sind junge Einheimische, die in der Regel aus ärmlichen Verhältnissen kommen, oft keine Bildung und auch keinen Job haben.
Auf der anderen Seite sind die Sextouristinnen und Sextouristen. Sie kommen hauptsächlich aus reicheren Ländern in Westeuropa, Nordamerika und Australien. Inzwischen ist der Markt hier etwas offener, auch reichere Männer aus dem Nahen Osten, China, Russland und anderen asiatischen Staaten sind als Sextouristen unterwegs.
Meistens handelt es sich bei den Sextouristinnen und Sextouristen um ältere Männer und Frauen, die in ihren Heimatländern nicht zu den allerbegehrtesten gehören. Sowohl der Wunsch nach einem Gefühl von Macht als auch Einsamkeit im Herkunftsland können Motive für Sextourismus sein.
Sextourismus: Machen das nur Männer?

Viel wurde über die Männer berichtet, die Sextourismus in Thailand machen. Doch es gibt auch sehr viele europäische Frauen, die für Sex um die halbe Welt reisen. Es ist also keineswegs ein rein männliches Phänomen, weshalb ich hier auch von Sextouristinnen und von Sextouristen spreche.
Die Forschung zeigt, dass verhältnismäßig viel mehr Männer Sextourismus machen als Frauen. Allerdings steigt die Zahl der Sextouristinnen seit den 1970er Jahren stetig. Das hat viel mit der Gleichberechtigung zu tun, dass Frauen öfter und alleine reisen und dass sie sich vom klassischen Bild der Hausfrau immer weiter entfernen.
Vor allem in Afrika unterscheidet sich die Art des Sextourismus massiv nach Geschlecht. Junge Frauen warten beispielsweise in sexy Kleidung an Bars und es ist für alle Beteiligten schnell ersichtlich, worauf die Sache hinausläuft.
Junge afrikanische Männer gehen hingegen meist sehr aktiv auf Frauen zu. Man nennt diese jungen afrikanischen Männer auch Beachboys, Love Boys oder Bumster. Sie verkaufen beispielsweise Souvenirs am Strand oder bieten ihre Hilfe an, beim Organisieren von Ausflügen bis hin zum Tragen der Koffer. Im Laufe des Gesprächs wird dann ersichtlich, dass sie auch ihren Körper anbieten. Auf den ersten Blick ist so nicht ersichtlich, ob es sich bei einem Gespräch zwischen einem jungen Strandverkäufer und einer älteren weißen Urlauberin um Sextourismus oder um ein normales Verkaufsgespräch am Strand handelt.
Große Aufmerksamkeit erhielt das Thema weiblicher Sextourismus im Jahr 2012, als der österreichische Filmemacher Ulrich Seidl "Paradies: Liebe" drehte. Darin fliegt eine 50-jährige Wienerin nach Kenia, weil sie von Freundinnen hörte, dass man dort ganz ohne Komplexe und trotz des Alters einen jungen, attraktiven Mann für Sex finden kann. "Paradies: Liebe" ist in der ARD Mediathek zu sehen.
Sextourismus in Afrika: Der Traum von der großen Liebe

Was mir immer wieder auffällt: Ja, es gibt Frauen und Männer, die nur für den schnellen Sex (und möglicherweise auch verschiedene Sexualpartnerinnen und Sexualpartner) verreisen, aber bei Frauen steckt oft mehr dahinter.
Auch wenn ich Sextourismus in Afrika immer wieder gesehen habe, vor allem am Diani Beach in Kenia, aber auch auf Madagaskar, in Ghana und vielen anderen Ländern, in denen ich war, so wurde ich direkt erst einmal damit konfrontiert.
Im Flugzeug von Deutschland nach Ghana saß 2019 eine ältere Frau neben mir. Sie flog in die ghanaische Hauptstadt Accra, um dort ihren nigerianischen Boyfriend zu treffen. 45 Jahre jünger als sie, erzählte sie stolz. In Deutschland wolle sie kein Mann mehr, denn sie hatte einen Stoma infolge mehrerer Krebserkrankungen. Sie sehnte sich nach Liebe und da war dieser junge Nigerianer, den sie im Internet kennengelernt hatte, und der ihr all diese Aufmerksamkeit und Liebe gab. Sie war sich sicher, dass sie die eine Ausnahme sein würde, bei der es dem Mann nicht um Geld und eine Möglichkeit, nach Europa zu kommen, ging.
Geschichten wie diese habe ich schon häufiger gehört – auch wenn es, ich betone das noch einmal, natürlich auch Frauen gibt, die vor allem schnellen, günstigen Sex wollen, und das in der Anonymität der weiten Ferne. In Südafrika spricht man deshalb inzwischen von Sextourismus bei Männern und von Liebestourismus bei Frauen.
Offenbar sind gerade ältere Frauen ein einfaches Ziel im Internet. Selbst wenn der Kopf klar ist, wissen die Männer nur zu gut, mit welchen Worten sie es schaffen, dass sich die Frau besonders fühlt, anders fühlt, begehrenswert und begehrt fühlt. Der Verstand setzt irgendwann aus und dann bleibt da nur die große Hoffnung und die große Sehnsucht nach einer Liebesgeschichte, die die langen Jahre der Einsamkeit beendet.
Auch wenn ich darüber oft den Kopf schüttle, habe ich doch inzwischen manchmal Mitleid mit den Frauen. Wie einsam muss man sein, wie wenig wertgeschätzt muss man sich fühlen, um sich einzureden, dass es schon Liebe sein könnte?
Wo in Afrika gibt es Sextourismus?

Bei den Reisezielen für Sextourismus unterscheidet sich stark, ob ein Mann oder eine Frau sich auf die Reise macht. In Afrika findet man an den meisten Orten mehr Sextouristinnen als Sextouristen.
Männer bevorzugen klassischerweise Südostasien, hauptsächlich Thailand, Vietnam und die Philippinen. Kuba, die Dominikanische Republik, Brasilien und Osteuropa sind ebenfalls beliebte Reiseziele für Sextouristen. In Afrika sind Sextouristen hauptsächlich in Kenia und Gambia unterwegs. An der kenianischen Küste kann man quasi keinen Urlaub machen, ohne Sextouristen, auch Sugardaddys genannt, anzutreffen.
Frauen hingegen haben den afrikanischen Kontinent für Sextourismus entdeckt. Die beliebtesten Ziele sind Kenia, Gambia, Nigeria, Ghana, Madagaskar, Malawi, Sansibar und in Teilen auch die nordafrikanischen Länder Ägypten, Marokko und Tunesien. Auch Jamaika ist für seinen weiblichen Sextourismus bekannt. In Thailand und der Türkei finden sich auch Sextouristinnen, allerdings in deutlich geringerer Anzahl.
Vor allem in den Küstengegenden Afrikas spielt sich der Sextourismus ab, sprich überall dort, wo auch gerne Strandurlaub gemacht wird. Nigeria ist hier eine Ausnahme, hier erfolgt die Kontaktaufnahme oftmals via Internet im Vorfeld der Reise. Getroffen wird sich dann entweder in Nigeria oder in nahe gelegenen "sicheren" Staaten wie Ghana oder Togo.
Sextourismus in Kenia boomt

Am häufigsten erlebe und sehe ich Sextourismus in Kenia, was natürlich daran liegt, dass ich sehr viel Zeit in Kenia verbracht habe und verbringe. Aber es liegt vor allem an etwas anderem: Kenia ist die führende Destination in Sachen Sextourismus in Afrika.
Seit vielen Jahren ist der Sextourismus ein Grundpfeiler der Tourismusbranche in Kenia, nebst dem Safari- und dem Strandtourismus. Als die Tourismuszahlen 2018 nach einigen Jahren endlich wieder angezogen sind, wurde das auch auf den steigenden Sextourismus zurückgeführt.
Die kanadische Forscherin Kempe Ronald Hope schrieb in ihrem Artikel "Sex Tourism in Kenya: An Analytical Review", dass der Strandtourismus in Kenia 66 Prozent des gesamten Tourismus ausmache und trotz fehlender Zahlen der Sextourismus eine der wichtigsten Aktivitäten an der Küste sei. In einer Umfrage unter weißen Touristinnen in Malindi kam einst heraus, dass zwei von Dreien schon vor ihrer Ankunft die Absicht hatten, Sex mit einem Kenianer zu haben. Die Männer sind im Schnitt zwischen 25 und 30 Jahre alt, haben oft Dreadlocks und große Muskeln, während die Frauen älter als 60 Jahre sind.
Um vor allem Minderjährige zu schützen, aber auch um Menschenhandel vorzubeugen – zuletzt haben Beachboys auch immer wieder Provision dafür genommen, Sextouristen junge einheimische Frauen für Sex zuzuführen – fordert Hope einen Plan der Regierung.
In kenianischen Medien wird seit Jahren davor gewarnt, dass der Sextourismus zu einer schweigenden akzeptierten Form des Tourismus in Kenia wird. Sextourismus ist in Kenia zwar legal, aber es handele sich um Abzocke und Schwindel, schrieb etwa "The Standard". In dem Artikel wird auch moniert, dass es eine stillschweigende Bewunderung für die jungen Männer und jungen Frauen gebe, die vom Sextourismus leben und profitieren.
Es gibt generell nicht sehr viel Forschung über den Sextourismus in Kenia. Allen gemein ist aber, dass sich die meisten Untersuchungen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen auf eine Zeit rund um die Jahrtausendwende beziehen. Damals waren Sextouristen noch in der großen Mehrheit in Kenia, während vor allem in den vergangenen 15 Jahren Sextouristinnen zunehmend eine sehr große Rolle spielen. Über Sextouristinnen ist allerdings noch kaum etwas bekannt.
Ist Sextourismus erlaubt?

Die rechtlichen Grundlagen für Sextourismus sind je nach Land verschieden. In manchen Ländern ist es generell verboten, in manchen Ländern werden nur die Prostituierten bestraft, in anderen nur diejenigen, die sich Sex kaufen.
In Afrika ist Prostitution – und als solche muss Sextourismus gesehen werden – in fast allen Ländern verboten. Dazu gehören beispielsweise die beliebtesten Sextourismus-Ziele Kenia, Gambia und auch Ägypten. Dennoch ist Sextourismus, wie wir gesehen haben, weit verbreitet, weil es eben doch zumindest toleriert wird. Legal ist Prostitution nur im Senegal, allerdings liegt das Mindestalter bei 21 Jahren.
Während heterosexuelle Prositution weitestgehend überall geduldet wird, sieht es bei homosexuellen Sexbeziehungen anders aus. Darauf steht in den meisten afrikanischen Staaten eine hohe Strafe, in einigen sogar die Todesstrafe. Es gibt zwar Bars und Orte, die auch gleichgeschlechtlichen Sex vermitteln, aber Sextouristinnen und Sextouristen setzen sich und ihr Gegenüber einer großen Gefahr aus. Während die Ausländerinnen und Ausländer schlicht abgeschoben werden können, sind die gesellschaftlichen und sozialen Folgen für die Einheimischen oft verheerend.
Reich trifft arm: Deshalb ist Sextourismus problematisch

Sextourismus ist weit verbreitet, aber er ist auch äußerst problematisch. An einigen Stellen klang es schon an, warum das so ist.
Ein großes Problem ist dabei das Machtgefälle. Reiche, weiße Menschen aus Europa, Nordamerika, Australien treffen auf arme Menschen aus dem Globalen Süden. Die Armut wird zum großen Faktor. Da die Menschen, die im Sextourismus arbeiten, oft über wenig Bildung verfügen, ist Sextourismus der einzige Weg (und ein schneller) aus der Armut heraus.
Das ostafrikanische Medium "Debunk" bezeichnete Sextourismus deshalb als eine Form von Neokolonialismus: Die Armut wird ausgenutzt, damit die Reichen ihren Willen und Wunsch bekommen. Im Onlinemagazin "The African Exponent" heißt es, Sextourismus ist eine Form von Rassismus, Macht und Kolonialismus. Zitiert wird eine kanadische Sextouristin mit den Worten: "Wenn er nicht performt, bekommt er nichts zu essen. Ende der Geschichte."
In vielen Fällen ist der Sextourismus für die sich anbietende Person also nicht gänzlich freiwillig, sondern unterliegt einem Zwang und dem berechtigten Wunsch nach einem besseren Leben. Die Person WILL also nicht mit einem Europäer oder einer Europäerin schlafen, sie tut es, weil Hoffnungen damit verknüpft sind.
An der kenianischen Küste kann man die Spirale oft ganz gut beobachten: Süße Kinder halten die Hand auf und bekommen Süßigkeiten. So werden früh Abhängigkeiten geschaffen. Im schlechtesten Fall merken Eltern früh, dass die Kinder beim Betteln oder dem Verkaufen von Krimskrams an weiße Touristinnen und Touristen Geld verdienen können – und schicken sie nicht mehr zur Schule. Irgendwann, wenn die Männer dann nicht mehr so süß sind, dass ihnen etwas abgekauft wird, verkaufen sie ihren Körper. Viele andere Möglichkeiten haben sie nicht, denn durch die fehlende Schulbildung und die ohnehin hohe Arbeitslosenquote finden sie keinen regulären Job.
Sextourismus und der Missbrauch von Minderjährigen

... und wo wir gerade von Kindern sprechen, sollte eines nicht unerwähnt bleiben.
In ihrer Analyse schreibt Kempe Hope, dass nach verfügbaren Daten davon auszugehen ist, dass bereits 2006 bis zu 15.000 minderjährige Mädchen in den Küstengebieten Teil der Sextourismusindustrie sind. Das wären 30 Prozent aller 12- bis 18-Jährigen, die dort leben.
Demnach gehen 2000 bis 3000 kenianische Kinder der Prositution mit Touristinnen und Touristen hauptberuflich nach. Mehr als 10 Prozent der Mädchen waren bei ihrer ersten Prostitution jünger als zwölf Jahre.
Auch wenn über minderjährige Jungs keine Daten vorliegen, dürfte sich ein ähnlicher Trend abzeichnen, auch die Jungs werden früh an den Sextourismus herangeführt.
Reisende, die beobachten, dass ein junges einheimisches Mädchen oder ein junger einheimischer Junge mit einer deutlich älteren ausländischen Person verkehrt, sollten unbedingt intervenieren und sich beim Hotelpersonal oder an der Bar melden – und im Zweifel die Polizei informieren, damit das Kind im Notfall in einem Kinder- oder Jugendheim untergebracht werden kann.
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