152 Länder der Welt sind laut Definition des International Monetary Fund als Entwicklungsländer eingestuft - dazu gehören alle Staaten Afrikas und nahezu alle in Asien und Lateinamerika. Wer eine Fernreise macht, hat also eine hohe Wahrscheinlichkeit, in einem sogenannten Entwicklungsland Urlaub zu machen. Dabei sind viele Reisende aber unsicher: Wie verhalte ich mich richtig? Wie gehe ich mit Armut um? Wie mit Betteleien? Andere Dinge hingegen, die wir ganz selbstverständlich tun, sind nicht so gern gesehen. Nach zahlreichen Aufenthalten in Ländern im Globalen Süden habe ich ein paar Tipps für Reisen in Entwicklungsländer aufgeschrieben.
Dos und Don'ts für Reisen im Entwicklungsland
Die Bewegung der Entwicklungshilfe entstand etwa in den 1960er Jahren, das ist noch gar nicht so lange her. Damals wurden die meisten Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen - nach Jahrzehnte- und Jahrhundertelanger Unterdrückung. Statt kolonialem Zwang wollte man die humanitäre Seite in den Fokus rücken - und gründete die Entwicklungshilfe. Länder wurden eingestuft nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen, ihrer Leistungsfähigkeit und ihrem Grad der Industrialisierung. Kultur, Intelligenz, Wissen - all das spielte keine Rolle, als der Globale Norden bestimmt hat, welche Länder wie kategorisiert werden.
Außer Europa und Nordamerika sind so ungefähr alle Länder als Entwicklungsländer klassifiziert. Man spricht auch von Dritter Welt (das waren die Weltgegenden, die sich im Kalten Krieg, als Erste Welt - der Westen - gegen Zweite Welt - die Sowjetunion - kämpfte, enthalten hatten) oder von Globalem Süden, obwohl das geografisch nicht richtig ist. Ich störe mich an allen drei Bezeichnungen - aber darum soll es nicht gehen.
Unsere Sicht von Entwicklungsländer ist seit jeher von kolonialistischem Denken geprägt. Es sind Länder, die sich entwickeln müssen, denen man helfen muss, wo Menschen arm, krank und unzivilisiert sind, aber die Landschaften ganz wundervoll sind. Nun, jeder, der schon einmal in einem Entwicklungsland war, weiß, dass das ein Teil der Realität ist, aber bei weitem nicht die gesamte Realität abbildet.
Ich bin sehr viel in Ländern unterwegs, die als Entwicklungsländer gelten, vor allem in Afrika, und deshalb weiß ich, mit welchen Befürchtungen viele Menschen an eine Reise herangehen - und wie viele Fehler sie vor Ort machen, weil sie sich nicht richtig damit auseinander setzen, was ihr gut gemeintes Engagement eigentlich bewirkt. Deshalb habe ich aus meiner Erfahrung heraus ein paar Tipps fürs Reisen in Entwicklungsländer gesammelt.
1. Besuche Orte abseits der Touristenhochburgen
Die meisten Touristinnen und Touristen, die Kenia besuchen, sehen vor allem die Küste rund um den Traumstrand Diani Beach und machen einen kurze Safari im Tsavo East Nationalpark - ins Land rein trauen sie sich nicht. Auch in Südafrika ist das zu beobachten: Reisen in die Metropole Kapstadt und an die schicke Gardenroute sind im Trend, der Rest des Landes wird eher missachtet. Doch das Leben der Einheimischen hat in der Regel nichts mit dem, was in Touristenhochburgen dargeboten wird, gemein. Es sind quasi zwei verschiedene Welten. Wenn du ein Land wirklich erleben willst, kennenlernen willst und etwas lernen möchtest, dann begib dich auch in Gebiete, die touristisch nicht ganz so gut erschlossen sind. Es muss ja nicht gleich eine völlig abgelegene Gegend sein, aber es gibt auch abseits der touristischen Highlights Ecken, in denen es eine gute Infrastruktur gibt und in denen du ein Land ganz neu entdecken kannst.
2. Komme ins Gespräch mit Einheimischen
Ich kenne zahlreiche Menschen, die beim Urlaub maximal mit Einheimischen sprechen, die im Hotelkomplex arbeiten oder beispielsweise Tourguide sind. Natürlich können auch diese Gespräche bereichernd sein. Aber wie wäre es, mit einer Person ein Gespräch zu führen, die nicht täglich mit Touristinnen und Touristen konfrontiert ist und deshalb einen ganz anderen Blick auf das Leben und ein Land hat? Menschen, die vielleicht keinen sicheren Arbeitsvertrag in einem Hotel haben, sondern mit den ansonsten üblichen Gegebenheiten in einem Land klarkommen müssen. Je mehr verschiedene Gesprächspartner aus verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen du hast, desto eher bekommst du einen Überblick über das Leben in einem Land.
3. Bringe nicht kofferweise Spenden aus Europa mit
Wusstest du, dass es in Ruanda verboten ist, gebrauchte Kleidung als Spenden ins Land einzuführen? Europäer und Europäerinnen neigen dazu, ein ausgeprägtes Helfersyndrom zu haben. Daran ist generell auch erst einmal nichts falsch: Anderen Menschen helfen zu wollen, ist eine gute Eigenschaft. Dennoch haben wir nie gelernt zu hinterfragen, ob unsere Hilfe 1. gewünscht ist und 2. zielführend ist. Denn gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. So verhält es sich beim großen Bereich Spenden. Es gibt eigene Facebook-Gruppen, in denen Personen Platz im Koffer schaffen, um Spenden von Deutschland in die Welt zu transportieren. Dabei ist das gar nicht so sinnvoll - im Gegenteil, es kann sogar schädlich sein und zu mehr Armut führen.
Wer den Markt eines Landes mit kostenloser importierter Ware schwemmt, zerstört die Existenz von Einheimischen, die mit Spielwaren, Kleidung etc. ein Geschäft aufgebaut haben. Sie haben keine Chance gegen die kostenlosen Spenden anzukommen und niemand kauft mehr bei ihnen. Außerdem werden gerne alte und gebrauchte Sachen weggegeben, nach dem Motto: Für Afrika reicht es noch. Doch warum sollten Menschen in Asien, Afrika oder Lateinamerika unsere aussortierten Sachen tragen wollen?
Ein weiterer wichtiger Punkt: Du schaffst Abhängigkeiten. Anstatt die Menschen darin zu unterstützen, sich selbstständig zu versorgen und ihr Business aufzubauen, zerstörst du das ungewollt, indem du kostenlose Waren verteilst. Damit sind die Empfängerinnen und Empfänger weiterhin auf Spenden angewiesen, die Eigeninitiative versackt. Nebst denen, die deine mitgebrachten Sachen bekommen, benötigen dann auch jene, deren Existenz dadurch kaputt geht, Hilfe - so entsteht ein Strudel an Armut.
Wenn du unbedingt Sachen spenden möchtest, halte dich am besten an zwei Dinge: Zum einen solltest du lokal einkaufen, am besten auf dem Markt oder bei einem einheimischen Händler oder einer Händlerin. Zum anderen suche dir gezielt eine Einrichtung aus, an die du die Spenden richtest (oder an eine Familie, wenn du beispielsweise eine kennst). Frage dort am besten vorher nach, was wirklich gebraucht wird, denn mit so manch einer Sachspende kann man vor Ort schlicht nichts anfangen.
4. Frag Einheimische nach Tipps und Ratschlägen
Du bist dir nicht sicher, wie du dich vor Ort bewegen kannst? Wohin du kannst? Welche Ecken du meiden sollst? Bevor du gar nicht das Hotel verlässt, suche doch einfach das Gespräch mit einem Einheimischen. Der oder die kann dir erzählen, welche Gegenden du besuchen kannst und wie du dich am besten verhältst, um sicher unterwegs zu sein. Außerdem haben Locals viele Tipps für Sehenswürdigkeiten, die nicht in jedem Reiseführer stehen. Somit lernst du ein Land also noch einmal auf ganz andere Art kennen.
5. Verschenke nicht wahllos Süßigkeiten, Kulis und Co
Ein schwieriges Thema. Wer schon einmal in einem Entwicklungsland Urlaub gemacht hat oder gereist ist, weiß, dass man häufiger angebettelt wird. Das liegt auch daran, dass viele Weiße in den vergangenen Jahrzehnten tonnenweise Spenden angeschleppt haben, siehe Punkt 3. Doch indem du dir unbekannten Menschen wahllos Sachen schenkst, machst du deren Lage nicht besser. Klar ist da Freude in dem Moment, aber die Auswirkungen kennst du nicht.
In Deutschland bringt man Kindern bei, nichts von Fremden anzunehmen, schon gar keine Süßigkeiten. Genau das Gegenteil machen wir aber im Globalen Süden, wenn wir Bonbons und Kekse verteilen. Dabei wissen wir weder, ob die Eltern okay damit sind, noch wissen wir, wie Ernährung und Zahnhygiene bei dem Kind aussehen - ein Bonbon kann also ganz andere Konsequenzen haben als bei generell gesunder und ausgewogener Ernährung und täglich mehrfachem Zähneputzen.
Außerdem schaffst du wie unter Punkt 3 bereits genannt Abhängigkeiten. Wenn ein Kind von klein auf lernt, dass es beim Betteln Sachen geschenkt bekommt, passiert etwas im Denken dieses Kindes. Es bleibt abhängig. In einigen Gegenden der Welt werden Kinder sogar zum Betteln auf die Straße geschickt, anstatt zur Schule zu gehen, weil sie viel erfolgreicher sind als ihre Eltern, wenn es um Sachspenden, Essen und Co einsammeln geht. Leider werden durch das Verschenken also Abhängigkeitsstrukturen gefestigt und Menschen entmündigt und entmutigt.
6. Kaufe auf dem Markt ein, nicht in Einkaufszentren
In nahezu allen Ländern der Welt findest du kleine Märkte oder Stände, an denen Einheimische Obst oder andere Dinge verkaufen. Warum auch immer meiden viele Reisende diese Stände aber und gehen lieber in moderne und große Einkaufszentren, wo sich die üblichen Supermärkte und Geschäfte finden. Damit unterstützt du aber vor allem Großkonzerne und nicht die Menschen vor Ort. Du wirst staunen, wie viel besser das Obst und Gemüse vom kleinen Stand schmeckt, das nicht ewig gekühlt und gelagert wurde, sondern quasi direkt von der Ernte seinen Weg auf den Verkaufstresen gefunden hat. Oftmals hängt die Existenz einer ganzen Familie an solch einem Laden - du unterstützt also viele Menschen sowohl in der Selbstständigkeit als auch im Verdienst ihres Lebensunterhaltes, wenn du lokal einkaufen gehst. Außerdem sparst du in aller Regel viel Geld: Auf dem Markt ist es normalerweise deutlich günstiger.
7. Höre zu und gib ungefragt keine Ratschläge
Einer der wahrscheinlich wichtigsten Tipps beim Reisen in Entwicklungsländer: Bitte, bitte, bitte spiele nicht den Oberlehrer, der alles weiß! Denn: Wir wissen gar nichts. Wir mögen ein Problem sehen und glauben, die Antwort zu kennen, doch wir kennen nicht die Hintergründe, die kulturellen Umstände, die Folgeprobleme, die entstehen können. Deshalb sollten wir keinesfalls anfangen, Menschen zu belehren.
Stattdessen sollten wir zuhören, mit Einheimischen ins Gespräch kommen und lernen. Dabei lernst du ein Land, eine Kultur, eine Gesellschaft viel besser kennen und erfährst etwa von Beweggründen, warum man mit einem Problem wie umgeht. Das mag für uns in der westlichen Welt manchmal komisch anmuten, aber vielleicht ist es für die Menschen vor Ort tatsächlich die einzig mögliche oder die beste aller Lösungen?
8. Beteilige dich nicht an Attraktionen mit Tierquälerei
Elefanten, Pumas, Löwen, Bären, Tiger, Haie - in vielen Ländern gibt es wilde Tiere, die bei uns nicht heimisch sind und die genau deshalb eine große Anziehungskraft auf uns ausüben. Ich liebe wilde Tiere und ich liebe es, auf Safari zu gehen, egal wo ich bin. Allerdings haben sich vielerorts ganze Industrien gebildet, die Geld mit Tieren machen - und das nicht zum Wohle der Tiere. Oft heißt es dann, die Tieren seien verwaist oder aufgefunden worden - in Wahrheit aber handelt es sich um skrupellose Wildhändler.
Ein paar typische touristische Attraktionen gibt es, bei denen Tieren viel Leid zugefügt wird. Generell würde ich alle Einrichtungen meiden, die Interaktionen mit wilden Tieren anbieten! Auf folgende Dinge solltest du im Urlaub auf jeden Fall verzichten (Hintergründe dazu findest du in meinem Beitrag über Tierschutz auf Reisen):
- Elefantenreiten: Elefanten werden dafür in ihrem Willen und Wesen mit schlimmer Gewalt gebrochen
- Eselreiten: Esel sind nicht dafür gemacht, sie als Reittier zu nutzen; Menschen sind oft zu schwer für Esel
- Mit Löwenbabys spielen: Die Löwen werden ihren Müttern viel zu jung entzogen, als Geldmaschine genutzt und später oft für Trophäenjäger ausgesetzt
- Selfie mit Tiger: Tiger werden unter Drogen gesetzt, manchmal werden ihnen auch Zähne und Krallen gezogen
- Spaziergang mit Geparden: Geparde gelten als ungefährlich und werden daher gerne als "Kuscheltier" gehalten
- Affen als Unterhaltungselement: Affen sind intelligente Tiere, sie sollten nicht Musik machen, tanzen oder an die Leine
- Seesterne aus dem Wasser nehmen: Seesterne sterben, wenn Sauerstoff-Molekühle in ihren Körper eindringen
- Trophäenjagd: Kein Wildtier sollte aus Spaß an der Freude erschossen werden, auch wenn es viel Geld bringt
- Mit Delfinen schwimmen: Delfine werden hierfür oft eingekreist und angefüttert, manchmal auch unsichtbar unter Wasser in einer Art Pool im Meer eingesperrt
- Käfigtauchen mit Haien: Haie werden dafür angefüttert und verlieren natürliche Triebe
- Wilde Tiere füttern: Wilde Tiere finden ihr Futter selbst - durch falsche Ernährung können sie sterben (z.B. Fische) oder durch das Anfüttern aggressiv Menschen gegenüber werden, wenn sie mal nichts bekommen (z.B. Affen)
- Wilde Tiere anfassen: Menschliche Bakterien können für wilde Tiere tödlich sein
Übrigens: Gerade in Südafrika, Namibia und Simbabwe gibt es viele private "Schutzgebiete", in denen Wildtiere gehalten werden. Sie können sich dort recht frei bewegen. Um den Bestand aber zu erhalten und keine großen Kosten zu haben, werden dabei teilweise Raubtiere wie Löwen separat gehalten, damit sie keine teuren Tiere wie Zebras oder Giraffen reißen. Besser ist es also häufig, eine Safari in einem der Nationalparks in Afrika zu machen.
Schon gelesen?
► Finde das richtige Reiseziel für Urlaub in Afrika
► Safari Guide: Tipps für deine erste Safari
► 10 unbekannte Fakten über Afrika
► Urlaub im Entwicklungsland: Was du wissen solltest
► Afrika im Film: Die Folgen von Stereotypen
► Mit dem ÖPNV durch Subsahara-Afrika
► Vier Monate in Ghana: Das Land und mein Fazit
9. Übernachte in lokal geführten Hotels und Pensionen
Wenn du Menschen vor Ort unterstützen willst, ihr eigenes Business aufzubauen, dann ist es viel sinnvoller, in wirtschaftliche Beziehungen zu ihnen zu treten und sie nicht durch Spenden abhängig von weißen Gönnern zu machen. Deshalb: Meide im Urlaub die großen bekannten Hotelketten und schlafe lieber in von Einheimischen geführten Pensionen, Hotels oder Lodges. Du wirst erstaunt sein, wie viele tolle Möglichkeiten es gibt, wenn du dich ein wenig umschaust. Im Zweifel wirst du auch immer vor Ort fündig, wenn du mit Menschen ins Gespräch kommst!
10. Nutze die einheimischen Währungen zum Zahlen
Eine häufig gestellte Frage in Reisegruppen: Soll ich Euro oder US-Dollar mitnehmen? Meine Antwort lautet hier immer: Nichts von beidem! Mit der einheimischen Währung zu zahlen, ist in den allermeisten Fällen sinnvoller. So sparen sich die Menschen vor Ort teure Wechselgebühren. Besonders wichtig ist das beim Trinkgeld: Wenn wir Euro-Münzen oder Dollar Coins geben, können die Menschen damit nicht wirklich viel anfangen - sie werden nämlich nicht getauscht. Stattdessen wird es vielen Reisenden schon passiert sein, dass sie von Einheimischen gefragt wurden, ob sie Geld wechseln können. Doch selbst wenn das Trinkgeld in Scheinen bezahlt wird - derjenige, dem man etwas Gutes tun will, hat immer einen hohen Verlust dadurch, dass er das Geld wechseln muss.
11. Vermeide Müll und reise möglichst nachhaltig
Eigentlich sollte dieser Punkt selbstverständlich sein, ist es aber nicht. Auch in Deutschland ist es klug, Müll zu vermeiden, vor allem Plastikmüll. Aber während es in Deutschland eine funktionierende Müllabfuhr gibt, landet der Müll in vielen Entwicklungsländern einfach irgendwo in der Natur, weil die Infrastruktur fehlt. Dazu kommt, dass reichere Staaten wie Deutschland ihren Müll auch exportieren - in Länder im Globalen Süden! So sammelt sich dort unendlich viel Müll und bedroht Menschen, Tiere und Umwelt. In einigen Ländern, etwa Ruanda, Kenia und Botswana, ist es beispielsweise verboten, Plastiktüten ins Land einzuführen. Du hilfst beispielsweise schon viel, wenn du in keinem Hotel nächtigst, das Plastikbecher für die Getränke verteilt, die dann sofort ausgetauscht werden.
12. Teile nicht ungefragt Bilder von Menschen in sozialen Medien
Die Kritik ist so alt wie soziale Medien: Wir wollen gerne unsere Eindrücke aus fernen, exotischen Ländern teilen. Wir vergessen dabei aber gerne mal, dass es sich bei den Personen, die wir abbilden, um Menschen handelt mit Rechten und Menschen, die Privatsphäre verdienen und es verdienen, gefragt zu werden. Bilder von Gruppen von Kindern aus dem Globalen Süden findet man im Internet zuhauf, doch wie oft wurden die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten gefragt, ob sie der Publikation zustimmen? Äußerst selten ist das der Fall. Aber irgendwie haben viele Reisende die Vorstellung, dass die Menschen unbedingt als Objekt abgelichtet und präsentiert werden wollen. Dem ist mitnichten so! Deshalb: Wenn du Bilder machst, frag! Und vor allem: Frag, ehe du sie online stellst! In vielen Ländern ist es wie in Deutschland auch nicht erlaubt, einfach Fotos von Menschen im Internet öffentlich zu teilen - zu Recht!
13. Achte auf ein korrektes Visum, z.B. bei Volunteering
Normale Reisende müssen sich über diesen Punkt keine Gedanken machen, wohl aber alle, die gerne Freiwilligendienst in einem Entwicklungsland machen wollen. In vielen Ländern ist es nicht erlaubt, mit einem Touristenvisum zu arbeiten - auch dann nicht, wenn es sich um Volunteering handelt, wenn der Freiwilligendienst ohne Bezahlung und/oder nur gegen Kost und Logis stattfindet. Viele Agenturen kümmern sich aber nicht darum, es ist nämlich viel billiger und einfacher, die Freiwilligen mit dem Touristenvisum arbeiten zu lassen. Dabei machen sich die Freiwilligen aber strafbar und riskieren ein Einreiseverbot im Land. Das spezielle Visum für Freiwilligenarbeit hat oft auch einen Zweck: So kann ein Staat sehen, wer warum im Land ist und ob die Freiwilligenhelfer auch qualifiziert sind - denn in der Regel wird abgefragt, welche Erfahrungen, welche Ausbildung etc. der Bewerber/die Bewerberin hat.
14. Setze dich mit der Geschichte des Landes auseinander
"Privilegiert zu sein durch die Umstände der Geschichte und den Ort der Geburt ist nichts, was zu einem individuellen Schuldbewusstsein führen sollte. Wohl aber zu Bewusstsein, zu Bewusstheit."
Charlotte Wiedemann in "Der lange Abschied von der weißen Dominanz"
Reisen bedeutet nicht nur faul am Strand liegen und Party zu machen. Reisen bedeutet auch, sich mit einem Ort, seinen Menschen, seiner Kultur und Geschichte auseinander zu setzen. Das gilt natürlich für Reisen in alle Länder der Welt, aber besonders für Reisen in den Globalen Süden. Denn alleine dass wir Länder als Entwicklungsländer einstufen, also Länder, die sich (aus unserer Sicht) erst noch entwickeln müssen, zeigt, dass wir sie abwerten. Nur wenn wir uns mit einem Ort, seiner Geschichte, seinen Menschen, seiner Kultur und auch, welche Rolle wir als Deutsche, Europäer, Weiße in der Geschichtsschreibung und Gesellschaftsformation spielen, können wir auch verstehen und lernen.
15. Hab keine Angst vor Krankheiten
Malaria, Dengue-Fieber, Bilharziose, HIV, Cholera, Tollwut, Tuberkulose, Zika, Hepatitis, Tetanus, - Krankheiten, die in Europa ausgerottet sind oder ohnehin selten(er) waren, gibt es in vielen anderen Ländern der Welt noch. Doch diese Krankheiten sollten dich nicht davon abhalten, in fremde Länder zu reisen! Zum einen gibt es gegen viele Krankheiten gute Impfstoffe, sodass du vorbeugen kannst. Andere wiederum übertragen sich nur über beispielsweise Sex - Kondome bieten hier einen guten Schutz. Zum dritten aber ist die medizinische Versorgung für Europäerinnen und Europäer eine andere als für Einheimische. Das klingt ungerecht, ist es auch, aber dennoch ist es Realität. Wir haben eine Krankenversicherung, die zahlt, wir haben Zugang zu Medikamenten, zu den besten Kliniken, zu privater Behandlung. Viele Menschen in Entwicklungsländern sterben nicht an der Krankheit selbst, sondern weil sie keinen Zugang zu Hygiene oder Medizin haben. So wird eine eigentlich behandelbare Krankheit zur tödlichen Falle.
16. Zeige dein Reiseziel realistisch in den sozialen Medien
Viele Menschen wollen nicht nur reisen und vor Ort Abenteuer erleben, sondern sie wollen ihre Erlebnisse auch in sozialen Medien teilen. Leider neigen wir dazu, Länder stereotyp abzubilden. Wenn du den Begriff Afrika hörst - welche Fotos siehst du in diesem Kontext normalerweise in den sozialen Medien? Wilde Tiere, süße Kinder und Menschen in traditioneller Lebensweise. Moderne Städte, schicke Restaurants und Hotels, Technologie, Erfindungen, moderne Menschen, gar Menschen in Anzügen - das findet sich kaum. Aber auch diese Seiten gehören zu einem Land. Wenn wir ein Land immer nur als rückständig, wild und vermeintlich unzivilisiert abbilden, festigen sich Stereotype bei Menschen, die das Land nur aus medialen Erzählungen kennen. Damit werden den Menschen vor Ort Chancen verbaut, sich als das darzustellen und zu präsentieren, wer, wie und was sie sind. Wirtschaftliche Abhängigkeiten bleiben bestehen, die Vorurteile gegenüber der Menschen auch. Reisende sind auch Botschafter - und es liegt an dir, realistische Bilder zu zeigen und nicht nur die eine Seite, die Wildheit, Ungezähmtheit, Exotik versprüht, auch wenn es dafür vielleicht mehr Likes gibt. Warum unsere Bilder auf Instagram oft koloniale Strukturen reproduzieren, habe ich für den reisereporter aufgeschrieben.
17. Sei dir deiner Vorurteile bewusst - und sei offen!
Woher du kommst, dafür kannst du nichts. Du kannst auch nichts für das Umfeld, in dem du sozialisiert worden bist. Wenn du aber weiße Eltern hast und in Deutschland aufgewachsen bist, ist es sehr wahrscheinlich, dass dir unbewusst (oder auch bewusst) sehr viele Stereotype über nicht weiße oder nicht deutsche Menschen vermittelt wurden. In Deutschland gibt es wie vielerorts im Globalen Norden rassistische Strukturen, die unser Denken und Handeln bestimmen. Wenn wir in ein sogenanntes Entwicklungsland fahren, sollten wir uns darüber bewusst sein, dass wir eine gewisse kulturelle Prägung mitbringen. Wir sollten uns aber auch vorab immer wieder verdeutlichen, dass es sich um Vorurteile handelt. Nur wenn du offen auf Menschen zugehst und versuchst, die Stereotype abzulegen, die in deinem Kopf sind, wirst du unglaublich tolle Begegnungen haben und viel lernen. Sei dir deiner Privilegien bewusst, verherrliche nicht, was du siehst - aber versuche, neue Erfahrungen und Eindrücke zuzulassen. Das kann anstrengend sein, ist sogar sehr wahrscheinlich so, aber glaube mir, es ist der beste Tipp zum erfolgreichen Reisen.
Kommentar schreiben
Marion (Montag, 07 März 2022 10:08)
Hallo Myriam, da hast du wirklich sehr gute Tipps zusammen getragen. Auch ich habe immer mal wieder erlebt, wie sich Touristen unwissentlich falsch verhalten haben. Es ist halt schwer Mitreisenden auf Ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Auch Reiseveranstalter sollten ihre Gäste vielleicht besser briefen, bevor sie mit ihnen das Land erkunden. Passiert leider viel zu wenig. Wie gesagt tolle Tipps die ich gerne weiterleite.
Katja (Montag, 07 März 2022 10:43)
Liebe Miriam,
danke für den wunderbaren Artikel. Grundsätzlich könnte man sagen: Ja... weiß ich.
Doch es nochmal ganz bewusst zu lesen macht es sehr deutlich, auf was man - für mich grundsätzlich - beim Reisen achten sollte.
Ich schreibe bewusst Reisen und nicht Urlaub. Denn das sind für mich unterschiedliche Dinge. Sicher mit vielen Überschneidungen, doch anders.
Dein Artikel sollte jeder lesen, der unterwegs ist. In welcher Form auch immer.
Liebe Grüße, Katja
Tanja (Montag, 07 März 2022 19:07)
Liebe Miriam,
eigentlich sollte die Liste (mit ein wenig Verstand) ganz selbstverständlich sein. Viele Urlauber denken aber leider oft nicht über Konsequenzen nach. Doch selbst wer viel unterwegs und auf Reisen ist, sollte sich diese Punkte immer wieder in das Gedächtnis rufen.
Viele Grüße
Tanja
Grit (Montag, 07 März 2022 19:41)
Liebe Miriam,
danke für diesen Blogbeitrag! Wirklich! Er ist nicht nur informativ, sondern ich denke er kann auch Menschen Berührungsängste nehmen. Was ich sehr gut finde, das Du grad an Stellen wo es um Unterkünfte oder auch um Empfehlungen fürs Zielgebiet geht, aufrufst Einheimische zu fragen bzw. bei ihnen zu buchen. Das ist grad für diese Länder, um die es hier ja geht, wichtig! Deine Ausführungen unter 3., 5. und 10.: Da kenne ich leider Menschen, die gern "Fernreisen in arme Länder" machen, um dann vor Ort ihren aussortierten Kleiderschrank abzuladen, den Kindern kiloweise Schokolade zu schenken oder extra ein paar Eurostücken mehr mitnehmen, damit sie großzügig Trinkgelder verteilen können. Und weißt Du was... denen werde ich Deinen Artikel mal ganz frech weiterleiten ;-) Ganz wichtig sind m. E. auch Deine Hinweise was eben die Spirale angeht, die entsteht, wenn Sachspenden gegeben werden. Oftmals denken Menschen eben gar nicht soweit. Sie meinen es ja eigentlich auch gut. Auf jeden Fall regt der Artikel an ganz vielen Stellen zum Nachdenken an. Danke dafür!
VG Grit
Nico (Montag, 07 März 2022 19:53)
Tolle Tipps, schön gegliedert.
Ich selbst habe bisher nur in Europa Urlaub gemacht, aber auch hier bietet es sich ja an abseits der Touri-Hotspots die Gegend zu erkunden.
Ein paar andere Tipps waren daher bei mir bisher weniger von Bedeutung. Insbesondere das mit der Währung fand ich interessant. Ich dachte bisher immer, man könne dort nur in der jeweiligen Landeswährung bezahlen. Aber wie geschrieben, ist das vor allem beim Trinkgeld auch sehr sinnvoll.
Stephan (Dienstag, 08 März 2022 10:55)
Hi Miriam,
ich finde diesen Artikel sehr interessant und an einige der von dir aufgezählten No-Gos hätte ich gar nicht gedacht.
Deine Erklärungen sind sehr einleuchtend und diesen Artikel sollte jeder lesen der in ein anderes Land reist!
LG
Stephan von Blindfuchs.de
Jana (Dienstag, 08 März 2022 21:22)
Ich befürchte zwar, dass ich selbst nie nach Afrika oder in viele dieser Länder reisen werde (weil ich so furchtbare Flugangst habe), aber trotzdem danke für die vielen vielen Tipps! Einige kannte ich durch das Lesen deiner früheren Beiträge bereits, aber andere hast du mir gerade eben erst klar gemacht! Ich persönlich möchte von einem Land auch immer die unbekannteren Ecken kennenlernen, unterhalte mich gern mit Menschen, wenn sich die Gelegenheit ergibt! Hab immer die Landeswährung dabei! Und würde nie an solchen Tierattraktionen teilnehmen! Das mit dem Seestern hab ich irgendwo schon mal gelesen, ich denke das wissen viele Menschen nicht und nehmen sie achtlos aus dem Wasser!
Liebe Grüße
Jana
Sabrina (Mittwoch, 09 März 2022 07:38)
Hi Miriam,
Ein toller Beitrag, der alles zusammenfasst was man bedenken sollte. Finde ich gut, weil e wie du schreibst, uns wird hier etwas anderes beigebracht.
Den Artikel teile ich gerne :)
Lg Sabrina
Elke (Dienstag, 15 März 2022 18:42)
Liebe Miriam,
ich wünsche deinem Beitrag ganz viele Leser! Ich arbeite u.a. als Studienreiseleiterin in Asien und bin mit den Problemen bestens vertraut. Die Enttäuschung bei den Reisegästen ist groß, wenn ich erkläre, warum sie die mitgebrachten Kulis und Bonbons nicht verteilen sollten.
Liebe Grüße
Elke
Michaela Gruber (Donnerstag, 31 März 2022 10:43)
Liebe Miriam
Sehr schöner und informativer Bericht. Wie du weißt, reise auch ich vorwiegend in "Entwicklungsländern". Mittlerweile kenne ich deine Tipps, aber vieles musste ich auch erst auf meinen Reisen lernen. Jetzt ist das meiste selbstverständlich für mich. Doch gerade wenn ich auf andere Reisende treffe, merke ich, dass das nicht auf alle zutrifft. Vor allem bezüglich Punkt 3 und 5 muss ich immer wieder mit anderen Reisenden/Touristen diskutuieren. Die meisten sind sich gar nicht bewusst, was sie mit diesem "Verschenken" von Dingen anrichten können.
Liebe Grüße mittlerweile aus der Schweiz,
Michaela