Im Tal des Zuckermühlen auf Kuba: Valle de los Ingenios

Das Tal der Zuckermühlen in Kuba ist eine der beeindruckendsten Landschaften - aber auch eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Karibik-Insel. Im Valle de los Ingenios, so der spanische Name, blühte einst der Zuckerrohranbau. Hier verdienten Kolonialisten und Sklaventreiber viel Geld - indem sie Versklavte ausbeuteten und misshandelten. So schön die Landschaft auch ist, so traurig ist die Realität, die man bei einem Besuch noch erfährt. Der Sklaventurm Torre de Iznaga beispielsweise thront noch über dem Tal, die Glocken, die die Versklavten zur Arbeit riefen, stehen bereit, um von Touristen fotografiert zu werden. Die alten Sklavenbarracken dienen heute als Wohnhäuser.


Valle de los Ingenios: Das Tal der Zuckermühlen auf Kuba

Valle de los Ingenios, auf Deutsch bedeutet das: Tal der Zuckermühlen. Und genau darum dreht sich hier - wie der Name schon sagt - auch alles: ums Zuckerrohr. Zwischen der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhunderts standen hier mehr als 50 Zuckermühlen und machten das Valle de los Ingenios zu dem Ort Kubas, an dem am meisten Zuckerrohr angebaut wurde. Und Zuckerrohr wird für allerlei Dinge gebraucht, nicht nur für Zucker, sondern beispielsweise auch für den berühmten kubanischen Rum. 

 

Nur wenige Kilometer außerhalb des beliebten Touristen-Ortes Trinidad gen Osten erstreckt sich das Tal. Dass Trinidad auf den ersten Blick so hübsch und reich daher kommt, hat einen ganz besonderen Grund: Wie so oft auf Kuba hat es einen dramatischen Hintergrund, denn versklavte AfrikanerInnen wurden auf den Plantagen zu schwerster körperlicher Arbeit gezwungen, gefoltert und getötet. 

 

Das Valle de los Ingenios ist also durch die Ausbeutung von Versklavten einst sehr reich geworden, was sich an zahlreichen Villen in den einstigen Kolonialstädten drum herum sehr deutlich zeigt. Dennoch ist das Valle de los Ingenios damit auch ein bedeutender geschichtlicher Ort. 1988 hat die UNESCO das Valle de los Ingenios auf Kuba zum Weltkulturerbe erklärt, dabei wurden 75 noch erhaltene Gebäude wie Zuckermühlen, Sklavenunterkünfte oder Kolonialhäuser berücksichtigt.  

 

Landschaftlich hat das Valle de los Ingenios auf jeden Fall seinen Reiz. Nördlich liegt der Gebirgszug Sierra del Escambray, südlich die Karibik. Rund um die Plantagen und Felder, die teilweise auch heute noch bestellt werden, stehen Palmen und Bäume, die das Valle de los Ingenios fast zu einem absurden Ort machen. 


Aussicht auf das Valle de los Ingenios: Mirador de la Loma

Wer das Valle de los Ingenios besucht, ist meistens eigentlich in Trinidad unterwegs. Aber wer die Stadt gen Osten verlässt, beispielsweise in Richtung der Kolonialstadt Sanci Spíritus kommt direkt durch das Tal. Auch werden ab Trinidad Ausflüge für Touristen angeboten. 

 

Wer mit dem eigenen Auto unterwegs ist, passiert einen Stopp auf jeden Fall, wenn er Trinidad auf der Hauptstraße gen Osten verlässt: den Aussichtspunkt Mirador de la Loma del Puerto, benannt nach der Straße. 

 

Er liegt nur rund fünf Kilometer außerhalb von Trinidad an der Hauptstraße und bietet eine fantastische Aussicht in das Valle de los Ingenios. Hier zeigt sich bereits, wie groß das Tal der Zuckermühlen ist und wie landschaftlich abwechslungsreich es trotz der Plantagen-Nutzung ist. Wer sich alles näher anschauen will, kann gegen Gebühr ein feststehendes Fernglas nutzen. 

 

Die Plattform befindet sich auf einer Höhe von 192 Metern und bietet damit einen guten Überblick über das Tal der Zuckermühlen. Von hier aus kann man zwar noch die vielen Zuckerrohr-Felder sehen, Zuckermühlen und andere koloniale Bauten allerdings kaum mehr. 

 

Am Aussichtspunkt gibt es auch ein Café. Wer direkt aus Trinidad kommt, braucht nach so kurzer Zeit wahrscheinlich noch keine Erfrischung. Aber da der Aussichtspunkt von dem Café aus instand gehalten wird, haben wir uns doch eine Cola gegönnt. Verpflichtend ist ein Verzehr dort aber nicht, wenn man den Aussichtspunkt ansteuert.  


Mit dem Zug durch das Valle de los Ingenios

Wenn du zur richtigen Zeit vor Ort bist, kannst du ein wenig nostalgisches Gefühl erleben - wobei es inzwischen eher eine Touristen-Attraktion ist. Von Trinidad aus kannst du nämlich auch mit dem Zug ins Valle de los Ingenios fahren. Ein Zug, der den bezeichnenden Namen "Tren Turístico" trägt, fährt einmal täglich von Trinidad aus zum Bahnhof in Guachinango. Unterwegs hält er an der einstigen Plantage Manaca Iznaga. 

 

Die Eisenbahn verläuft auf einer historisch bedeutsamen Route, denn das angebaute Zuckerrohr musste ja in die Stadt kommen, weshalb die Kolonialisten die Bahn in Betrieb nahmen. Doch die alte Dampflok verrottet inzwischen am Bahnhof in Manaca Iznaga vor sich hin, aktuell ist eine Diesellok im Einsatz.

 

Der Zug fährt täglich um 9.30 Uhr in Trinidad los - vorausgesetzt, es sind genug Touristen da, die mitfahren wollen. Und vorausgesetzt, die Bahn funktioniert gerade. Die Fahrt kostet umgerechnet ungefähr 10 Euro pro Person und dauert einige Stunden - was aber vor allem daran liegt, dass an allen Stopps lange Pause gemacht wird und fliegende Händler den Touristen Souvenirs und anderen Kram andrehen können. Die Zuckermühlen an sich sieht man vom Zug  aus nicht - und da er im Tal selbst fährt, hat man auch nicht die gleiche fantastische Aussicht wie etwa vom Mirador de la Loma del Puerto.


Folgst du mir eigentlich schon? 

 

auf Instagram und Facebook?

 

Dort siehst du regelmäßig Reisefotos und wirst über
neue Blogbeiträge umgehend informiert.

 



Valle de los Ingenios und die Sklaverei: der Torre de Iznaga

Es gibt noch verschiedene Herrenhäuser und Plantagen, die im Ansatz erhalten geblieben sind und die Touristen heute besichtigen können. Die wichtigste Sehenswürdigkeit im Valle de los Ingenios ist der Torre de Iznaga in Manaca Iznaga rund 15 Kilometer von Trinidad entfernt, mitten im Tal liegend. Den Turm kann man kaum verpassen, denn man kann ihn schon von der Hauptstraße aus Trinidad kommend sehen. 

 

Rund 45 Meter hoch ist der Torre de Iznaga - und hat einen unliebsamen Beinamen: Sklaventurm. Das hat aber einen historischen Grund: Der Torre de Iznaga wurde gebaut, damit Wächter von oben die Sklaven auf den Zuckerrohrplantagen des Valle de los Ingenios beaufsichtigen können. 

 

Im Torre de Iznaga waren zudem drei Glocken untergebracht. Eine davon kannst du heute vor dem Turm auf dem Boden stehend sehen. Die drei Glocken läuteten früh morgens (eher nachts) zum Arbeitsbeginn und am späten Abend für den Feierabend. 

 

Der Turm wurde von Familie Iznaga im Jahr 1816 erbaut, als die Plantage schon in Betrieb war. Damals übernahm der Kolonialist und Sklaventreiber Pedro Iznaga die Plantage - und er war berühmt für seine Skrupellosigkeit den Versklavten gegenüber. Mit dem Bau des Torre de Iznaga konnten seine Wächter die Versklavten noch besser beobachten - zu jeder Zeit, und damit nicht nur sehen, wenn jemand vor Erschöpfung zusammenbrach und eine Pause einlegte, sondern auch, wenn sich Gruppen zusammen taten - was als Zeichen für einen bevorstehenden Aufstand gewertet wurde.

 

Es ist wahrscheinlich nicht weiter verwunderlich, dass Pedro Iznaga nicht nur zu einem der reichsten Männer auf ganz Kuba gehörte, sondern aus der Manaca Iznaga auch recht schnell eine der führenden und größten Zuckerrohr-Plantagen auf Kuba machte. 

 

Der Torre de Iznaga ist an sich schon sehenswert. Es gibt sieben Stockwerke, und sie sind rund und mal eckig angelegt, was den Turm sehr markant macht. Es sieht ein wenig aus, als hätte jemand Jenga gespielt oder die verschiedenen Stockwerke einfach aufeinander gesetzt. 

 

Heute wird der Torre de Iznaga als Touristen-Attraktion genutzt. Für 3 CUC darf man ihn besteigen und kann von oben sowohl prächtige Kolonialbauten als auch spärliche Sklaven-Barracken sehen. Beziehungsweise: Was jeweils davon übrig geblieben ist. Denn viele der Zuckermühlen des Tals sind während der Unabhängigkeitskämpfe zerstört worden - und nie wieder aufgebaut worden.

 

Ich war mir bei meinem Besuch 2014 der Besonderheit des Ortes nicht bewusst. Da man viele der Sklavenbarracken nicht mehr sehen konnte und auch jegliche Beschreibungen auf dem Gelände der Manaca Iznaga fehlten, nahm ich das Valle de los Ingenios vor allem als landschaftlich schön wahr. Erst viele Jahre später, als ich mich beispielsweise durch einen langen Aufenthalt in Ghana, aber auch in Togo und São Tomé und Príncipe viel mit der transatlantischen Sklaverei und dem Schicksal der verschleppten AfrikanerInnen beschäftigt habe, wurde mir die Tragweite bewusst und ich schämte mich für die Fotos von mir, wie ich oben auf dem Torre de Iznaga stehe und in die Kamera lache. 


Hacienda Iznaga: Das Herrenhaus im Kolonialstil

Nur wenige Meter vom Torre de Iznaga entfernt findet sich auch heute noch das gelb getünchte Herrenhaus der Familie Iznaga. Die Casa Hacienda Iznaga ist im Kolonialstil erbaut und diente der Familie von Pedro Iznaga als Wohnhaus. 

 

Heute steht das Herrenhaus den Touristen im Valle de los Ingenios offen, dort finden sich neben Café und Shop auch einige interessante Räume, die Besucher anschauen können. So gibt es beispielsweise typische Bodengänge und ein großer Garten. Hinter dem Haus steht heute die noch eine alte Zuckermühle, an der sich Touristen selbst ausprobieren können. Du kannst bei deinem Besuch im Valle de los Ingenios also deinen eigenen Zuckerrohrsaft herstellen. 

 

Die Casa Hacienda Iznaga ist zwar der prächtigste Bau in der Umgebung, aber auch andere Gebäude sind noch erhalten. Einige der einstigen Barracken für die Versklavten wurden umgebaut und dienen nun kubanischen Familien als Zuhause. Während früher Dutzende Menschen auf engstem Raum leben mussten, sind die Häuser durch die geringere Belegung heute großzügiger. Dennoch eine, wie ich finde, merkwürdige Vorstellung, in einem Haus zu leben, in dem einst entführte, gequälte, entmenschlichte Menschen leben mussten, die keinerlei Rechte mehr hatten. 

 

In Manaca Iznaga hat man sich übrigens völlig auf den Tourismus eingestellt: Rund um den Torre de Iznaga und das Herrenhaus gibt es eine Art Flohmarkt, zudem wird an jeder Ecke Zuckerrübensaft angeboten.


Zuckerplantagen und Herrenhäuser im Valle de los Ingenios

Die Manaca Iznaga ist heute zwar die bedeutendste noch erhaltene Zuckermühle, aber im Valle de los Ingenios gibt es noch einige andere Sehenswürdigkeiten. 

 

Wir haben im Reiseführer gelesen, dass das kleine Städtchen San Pedro, ebenfalls aufgrund der Ausbeutung von Versklavten zur reichen Kolonialstadt aufgestiegen, nett anzusehen sein soll. Wir machten uns auf den Weg - und kehrten nach einer Weile wieder um, denn die Straße war so schlecht und mit derart tiefen Schlaglöchern versehen, dass wir das unserem alten chinesischen Mietwagen nicht zumuten wollten. Generell sind die Straßen im Valle de los Ingenios nicht sonderlich gut.

 

Auf dem Weg nach San Pedro kommst du übrigens an der Hacienda Ingenio Guaimaro und der Hacienda Ingenio Palmarito vorbei, beide sind ebenfalls alte Herrenhäuser im kolonialen Stil, in dem einst Plantagenbesitzer lebten. Ebenfalls südlich der Hauptstraße, ungefähr gegenüber der Manaca Iznaga ist der See Laguna de Oro, an dessen Ufer das Herrenhaus Hacienda Ingenio Delicias steht - beziehungsweise die Ruine. 

 

Wer sich für die Geschichte der Sklaverei auf Kuba und die Geschichte der Zuckermühlen interessiert, kann dennoch noch weitere Plantagen besuchen - die auch weniger touristisch erschlossen sind als die Manaca Iznaga. Dazu gehören beispielsweise die Ruinas de Ingenio San Isidro de los Destiladeros. Die Gebäude auf dem Areal der Zuckerplantage sind teilweise freigelegt worden, teilweise wurden sie aber auch restauriert. Hier werden geführte Touren angeboten. 

 

Der Zug fährt, wie bereits erwähnt, beispielsweise zur Casa Guachinango, in der sich heute ein Restaurant befindet. Vom Restaurant aus werden Ausritte ins Tal der Zuckermühlen angeboten. Wenn du die Straße, die Manaca Iznaga und Casa Guachinango (circa 4 Kilometer auseinander) weiter fährst, erreichst du das Dorf Condado, das ebenfalls noch ein altes Herrenhaus, die Hacienda Ingenio Algaba, hat. Auch hier erinnern die verfallenen Gebäude im Ortskern an die Vergangenheit des Valle de los Ingenios. Besagte Straße (die übrigens in einem schlechten Zustand ist) endet in dem Dorf Meyer. Auch das ist eine alte Zuckerplantage, hier kannst du die Überreste des Herrenhauses Hacienda Ingenio de Güinía de Soto sehen. 


Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Freya (Donnerstag, 03 Juni 2021 10:20)

    Ich muss sagen, ich habe noch nie Europa verlassen und von Kuba kann ich nur träumen. Aber dein Bericht ist wirklich toll und macht Lust auf dieses Land. Tolle Bilder und alles sehr ausführlich.

    Alles Liebe und eine gute Zeit

    Freya

  • #2

    Anja (Donnerstag, 03 Juni 2021 21:41)

    Liebe Miriam,
    zuerst dachte ich, wow, welch wunderschöne Landschaft. Dass dahinter eine so grauenhafte Geschichte steckt, wusste ich nicht.
    Ich finde finde aber gut und wichtig, dass man bei einem Besuch davon erfährt.
    Dass ein Zug den Weg des Zuckerrohrs abfährt, finde ich spannend. Schade aber, dass die alte Dampflok dafür nicht mehr betrieben wird und stattdessen zerfällt. Zumindest zum Anschauen könnte sie sich erhalten bleiben.
    Herzliche Grüße
    Anja von STADT LAND WELTentdecker

  • #3

    Jana (Donnerstag, 03 Juni 2021 22:10)

    Ich war leider auch noch nie außerhalb Europas, aber bin geschichtlich sehr interessiert, weshalb ich deinen Beitrag auch mit großem Interesse gelesen habe! Kuba stand bisher nicht auf meiner Bucket List, aber wenn ich mich irgendwann mal über den großen Teich traue, komme ich vielleicht auch mal dorthin!

    Was an diesen und weiteren Orten auf der Insel passiert ist - all die Ausbeutung - ist schrecklich. Gut, dass dort an die Zeit erinnert wird!

    Liebe Grüße
    Jana

  • #4

    Katharina (Freitag, 04 Juni 2021 08:05)

    Puh, dass ich durch Kuba gereist bin ist mittlerweile eine halbe Ewigkeit her. 2005 war das glaub ich?! Ich fand es auch super spannend. An dem Ort waren wir nicht, aber haben viele andere schöne Gegenden auch zu Fuß und per Pferd erkunden können. Zumal es die letzten zwei Wochen unter Fidel Castro waren und wir noch überall privat beherbergt wurden - Fidel trat zurück als wir in Havanna am Flughafen saßen. Im Flughafen waren plötzlich alle Anzeige-Fernseher auf Live Schalte umgeschaltet, draußen Schüsse (vor Freude!? keine Ahnung...) und drinnen konnte ich doch trotz meiner Spanischfähigkeiten nicht glauben was ich hörte... Irre.